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Nr. 7/2014, Bremen, den 4.4.2014, Nr. 399,   12 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Tagebuch: Armut in Bremen (1)

        
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Ich sagte es schon: Das eigentliche Thema dieser Website ist die Erforschung der Beschaffenheit von Wahrnehmung. Irgendwann im Februar ist mir aufgefallen, dass ich meine, mehr Menschen als früher zu sehen, die in Abfalltonnen nach Verwertbarem suchen. Also habe ich mich aufgemacht, um mir ein Bild davon zu machen, wieviel Spuren von Armut ich in der Stadt registrieren kann.

  Sehr schnell ist mir klar geworden, dass ich diese Spuren nur sehr begrenzt fotografisch festhalten kann, ohne arme Menschen bloßzustellen. Also muss ich auch viel mit Worten beschreiben, was ich gesehen habe. Aus dieser Einsicht ist das folgende Tagebuch entstanden. Die Fotos illustrieren nicht immer den darunter stehenden Text.

Baustelle einer Bank in der City
Baustelle einer Bank in der City

24.2.2014
Ich fahre mit dem Bus in die City. Am Bahnhof sehe ich die Wartehäuschen, in denen sich den Tag über Alkoholiker und Drogenabhängige treffen. Ein alter Mann, der in beiden Händen Plastiktüten trägt, inspiziert die Mülltonnen. (vgl. auch Flaschensammler und Katzenfreund) Ein junger Mannn geht den Bahnsteig herunter und spricht jeden an. (vgl. Notiz vom 27.2.2014) Ich steige auf dem Domshof aus. Der Wochenmarkt wird schon abgebaut. Ich blicke auf eine Baustelle. Dort steht am Rande einer Baugrube nur noch die historische Fassade einer Bank.

 
Hinter die Fassade wird ein Neubau gesetzt. Ich mache ein Foto von der Rückseite der Fassade. Als ich mich wieder zum Platz wende, sehe ich, wie ein Mann von einem Mäuerchen etwas nimmt, das in Alufolie eingeschlagen ist. Ich gehe weiter über den Platz. Vor einer anderen Bank sehe ich den Mann wieder. Er ißt das, was er zuvor aufgesammelt hat. Er wirkt nicht armselig. Er trägt einen wärmenden Mantel, ordentliche Schuhe und einen Rucksack auf dem Rücken. Ich gehe weiter in die City hinein.

Bettler vor Lebensmittelmarkt
Bettler vor Lebensmittelmarkt
Am Ende der einer Straße in der Einkaufszone kommt mir ein Mann mit einem Rollator entgegen, der in dem Bereich der Straße eine Obdachlosenzeitung verkauft. Er geht sehr mühsam. Seine Kleidung kommt mir abgewetzter vor als früher. An der Einmündung einer Einkaufszone in eine andere liegen die Habseligkeiten eines Bettlers. Ich gehe weiter und sehe den Mann wieder, der vor der Bank scheinbar Essensreste gesammelt hat. Er schaut etwas verschämt in die Mülltonnen. Dann taucht ein junger Mann auf, der ebenfalls die Mülltonnen inspiziert. Als ich wieder zur an den Schnittpunkt der beiden Einkaufszonen komme, sehe den Mann wieder, den ich vor der Bank zuerst gesehen hatte. Er geht sehr aufrecht. Ich blicke in sein Gesicht und sehe einen ungepflegt wuchernden Bart und tieftraurig blickende Augen. Ich gehe in Richtung Straßenbahnknotenpunkt: Vor einer Filiale einer System-Gastronomiekette läuft ein junger Mann auf und ab und bettelt Leute um Geld an. Schräg gegenüber befindet sich ein Informationszentrum einer christlichen Kirche. Ich gehe hinein. Eine Mitarbeiterin des Zentrums macht mich auf den Wandschmuck in der Halle aufmerksam. Es sind zahlreiche Bilder und Darstellungen von Engeln in verschiedenen Stilen.

  Ich gehe hinüber zur Post. Im Eingangsbereich der Filiale sitzt eine junge Frau, die bettelt und Zeitungen verkauft. Sie liest in einem Buch und ich beginne ein Gespräch mit ihr über ihre Lektüre. Ich gehe weiter in Richtung Vorstadt. Vor einem Museum steht ein Transporter einer großen Baufirma. Ich komme mit den Handwerkern ins Gespräch. Sie erzählen mir, dass sie sich vor einiger Zeit bei Bauarbeiten im Bereich eines kleinen Klosters in der City aufgehalten haben. Dabei hätten sie beobachtet, dass vor dem Kloster mittags viele Leute darauf gewartet hätten, von den Schwestern Essen gereicht zu bekommen. Ich werde müde und fahre mit der Straßenbahn Richtung zuhause. Ich steige aber eine Station vor meinem Ziel aus, weil ich eine Bekannte gesehen habe, mit der ich etwas besprechen muss. Während wir uns unterhalten, kommt ein junger Rumäne vorbei, der fast jeden Tag stundenlang vor einem nahegelegenen Verbrauchermarkt steht und dort Zeitungen verkauft. Er grüßt uns. Ich habe vor einer Weile versucht, mich mit ihm zu unterhalten. Doch mehr als sein Heimatland konnte er kaum auf Deutsch ausdrücken.

Habseligkeiten eines Bettlers in der City
Habseligkeiten eines Bettlers in der City

26.2.2014
Ich mache mir Notizen über meine Erlebnisse und stelle fest, wieviel ich gesehen habe.
Nachmittags fahre ich mit der Straßenbahn in die City. An einer Haltestelle in der Vorstadt steigt ein Mann ein, der einen Rollator schiebt. Er bettelte füher oft vor einem Verbrauchermarkt.Dort steht jetzt fast täglich der Zeitungsverkäufer, der mich gestern grüßte. Der 'Rollatormann' ist nur noch selten da. Vor einem Supermarkt in der Vorstadt bettelt ein junger Mann. Vor der Filiale der System-Gastronomiekette in der City liegen etwas voneinander entfernt zwei Obdachlose.

 
Unter den Arkaden nahe dem Rathaus liegen die Habseligkeiten eines Bettlers, ebenso am Schnittpunkt zweier Einkaufszonen. Vor einem Bekleidungsgeschäft am Beginn der Einkaufszone sitzt Bettler mit Hund. An dieser Stelle habe ich noch nie Bettler gesehen. Am Eingang der Stadtbibliothek verkauft jüngerer Mann eine Obdachlosenzeitung. Als ich zurückfahre, sehe ich von der Straßenbahn aus wieder den jungen Rumänen, der vor dem Verbrauchermarkt seine Zeitungen anbietet.

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Bitte werfen Sie auch einen Blick auf Charlie Dittmeiers Bericht über die Folgen von Landflucht und Migration für die Hauptstadt Phnom Penh. Der Bericht datiert vom 16. Juli 2013. Der Link führt auf die letzte Notiz des Tagebuches. Bitte nach unten scrollen!
 
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Freitag, den 18.4.2014

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