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Folge 24/2003, Bremen, den 08.05.2003 (Nr.103)   1 Jahr kleinmexiko.de: Danksagung
        
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For every complex problem there is a solution that is concise, clear, simple, and wrong.
H. L. Mencken


Es ist Wahlzeit. Es ist Plakatzeit. Jeden Tag werden wir von Parolen bedrängt. Ich schaue mir zunächst einmal die Hervorbringungen einiger kleinerer Parteien an, die nicht alle in der Bürgerschaft vertreten sind. Die Auswahl der Plakate orientiert sich nicht an den ohnehin schwach entwickelten politischen Vorlieben des Autors, sondern an den subjektiv empfundenen Möglichkeiten, an ihnen Mechanismen der Werbesprache zu analysieren.


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Eine Gruppierung wirbt für sich mit diversen Forderungen, die - wenn man denn mit ihnen einverstanden wäre (!)- auch außerhalb Bremens gelten könnten: 'Gegen Filz und Korruption', 'STOPPT Tiertransporte' oder 'Mehr Härte gegen Straftäter'. Die Plakate folgen fast immer einem gestalterischen Muster: Die Parole ist in weißer, schnörkenloser Schrift auf dunkelblauem Hintergrund (vgl. Parolen (2)) gesetzt. Darunter oder darüber wiederholt ein rechteckiges Foto als eine Art einfache bildliche Umsetzung die schriftliche Forderung. Am deutlichsten wird diese schlichte Doppelung bei der Forderung nach mehr Härte gegen Straftäter: Sie wird durch die bloße fotografische Wiedergabe von Handschellen unterstrichen, die den Straftätern angelegt werden sollen. Am linken Rand zieht sich von unten nach oben ein dunkelblauer Schriftzug auf hellblauem Grund hin: 'Andere hatten ihre Chance'. Das soll wohl bedeuten, dass diese Partei den Wähler auffordert, ihr nun auch eine Chance zu geben. Der Name der Partei ist identisch mit ihrer dominierenden Führungsgestalt.
 
Hintersinniger sind da schon die Verknüpfungen von Parolen und Bild bei einer anderen kleinen Partei, die in Bremen schon einmal ihre Chance hatte: Aus einer grünen Fläche sticht ein rautenförmiger, weißer Textkasten mit der schwarzgedruckten Aussage 'Das sind unsere Großprojekte' hervor. Diese Satz ist eigentlich nur eine nach oben gezogene Unterschrift zu dem darunter befindlichen Bild, von dem einige offenbar ganz lebenslustige Kinder den Betrachter anschauen. Die Aussagen von Text und Bild sind jedenfalls keine schlichten Doppelungen, sondern beide zusammen ergeben erst einen Sinn.


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Dieser Sinn muß von dem betrachtenden Menschen in Eigenleistung erschlossen werden. Das gilt insbesondere für den Hinweis auf die 'Großprojekte'. Das ist möglicherweise eine Andeutung auf die zum Teil recht zäh sich entwickelnden oder gar gescheiterten Großprojekte wie Space Park und Musicaltheater, die vom derzeitigen Senat gefördert wurden. Der bildliche Verweis auf die Kinder ist möglicherweise als 'plakativer' Hinweis darauf zu verstehen, dass diese Partei andere politische Schwerpunkte setzen möchte.
 

[M]
 
Erst in diesem von BetrachterInnen zu erschließenden Zusammenhang bekäme die schriftliche Aussage eine landesspezifische Bedeutung. Diese Bedeutung würde dann noch verstärkt durch die Aussage, mit der das Plakat nach unten hin quasi optisch abgeschlossen wird: 'Bremen braucht eine neue Koalition'.
 
Fast ohne Bilder dafür aber mit etlichem typografischen Aufwand kommen die Plakate einer anderen Partei daher, die in verschiedenen Beiräten vertreten ist. Bei einem Plakat etwa fallen von Ferne zunächst die in großer, schmaler, schwarzer Serifenschrift gesetzten Worte 'reich' und 'arm' auf. Tritt man näher heran, nimmt man wahr, dass oben links an das Wort 'reich' in kleinerer Schriftgröße das Wort 'kinder' angefügt ist. Unten rechts an 'arm' schließt sich das Wort 'dran' an: 'kinderreich, arm dran'. Unter dieses typographische 'Puzzle' ist in kleinerer, roter Schrift die Sachaussage gesetzt: '25 % aller Kinder unter 7 Jahren in Bremen lebt unter der Armutsgrenze'. Optisch und inhaltlich wird das Plakat abgeschlossen mit den Parolen 'Stimme für die (es folgt das Logo der Partei)' und darunter 'Stimme für Gerechtigkeit'.


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Auffällig an diesem Plakat ist, dass es eine 'harte' Sachinformation mit einem typografischen 'Hingucker' verbindet. Diesem Muster folgen im Prinzip alle Plakate dieser Partei. Weder der 'Hingucker' noch die Sachinformation enthalten eine programmatische Aussage. Sie verweisen lediglich mit leicht unterschiedlicher Perspektive und Betrachtungstiefe auf einen Sachverhalt, der aus der Sicht der Partei mit unsozialen Zuständen zu tun hat. Hier etwa geht es um ein erhöhtes Armutsrisiko bei kinderreichen Familien. Erst durch die abschließende Parole 'Stimme für die Gerechtigkeit' reklamiert die Partei für sich, diese Ungerechtigkeit aufheben zu wollen. Aus der Sachaussage wird Forderung und Programm.
Hinweis: Alle Bilder auf dieser Seite sind durch Bildbearbeitung eines Originals manipuliert.

Parolen (1)

Parolen (2)

Parolen (3)

Parolen (4)

Parolen (6)

Parolen (7)

Parolen (8)

Parolen (9)

Parolen (10)

Parolen (11)

Parolen (12)

Parolen (13)

Parolen (14)

Parolen (15)

Parolen kaputt

Parolen 23

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Donnerstag, den 15.05.2003


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