Alltag in Bremen 071a-02
 
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Folge 71a/2002, Bremen, den 21.11.2002
Wegen dieses Spezials nächste Folge Mittwoch, den 27.11.2002
        
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Dieser Tage mußte ich wieder einmal die Frage stellen 'Und was wird aus dem Laden?' Heinrich Wohlers, allen alten Hulsbergern als Mensch und Fahrrad-Mechaniker bestens bekannt, antwortet nach kurzem Zögern: 'Vielleicht machen wir wieder eine Wonhnung daraus.' Hinter dem Zögern mag der Gedanke daran stehen, dass er seit ein paar Jahren nicht mehr so kann, wie er gerne möchte. Das rechte Bein schmerzt, wenn er es länger belastet. 'Verschleiß' sagt er in nüchternem Ton, fast, als handele es sich um ein altes Fahrrad.
Wie ein altes Fahrrad? Heinrich Wohlers ist in seinem Arbeitsleben viel herumgekommen. Geboren ist er 'Am Schwarzen Meer' als tagenbarenes Kind einer alten - ursprünglich - Sebaldsbrücker Familie. Mitte der 50ger Jahre erlernte er den Beruf des Kunst- und Bauschlossers bei der Firma Rabba (,die heute mit modernster Technologie Blech bearbeitet,) in der Arberger Straße.
Es folgte ein kurzes Zwischenspiel bei der Firma Grünhagen Henriettenstraße/ Ecke Nienburger Straße, mit bis heute sichtbaren Folgen: Heinrich Wohlers brachte alle Querstreben an den Kirchenfenstern der Auferstehungskirche in der Drakenburger Straße an.


Einen großen Teil der Querstreben in den Kirchenfenstern der Auferstehungsgemeinde brachte Heinrich Wohlers an.

Ab 1958 bekam er seine Zahnpasta und ein Quantum gesunder Milch von Borgward gestellt: Bei der Nachbearbeitung der Schweißnähte am legendären Isabella wurde so viel Blei freigesetzt, dass die Zähne des Karosserieklempners Heinrich Wohlers bei Schichtende grau waren.Wie alle seine Kollegen war Heinrich Wohlers sehr enttäuscht, als das Werk 1961 trotz vieler Versprechungen zweifelhafter Berater seine Tore schließen mußte.


In dem rechten Haus (Hemelinger/ Ecke Hoyer Straße) befand sich Henny Beckers Milchladen.

Seine Milch bekam Heinrich Wohlers danach weiter, allerdings von Henny Becker, die ein Milchgeschäft an der Ecke Hemelinger/ Hoyaer Straße betrieb und einen Fahrer brauchte, der nachts gegen viertel vor vier zuverlässig an der Molkerei der MAG, Milch-Absatz-Genossenschaft, in der Admiralstraße (später Bremerland) mehrere Hektoliter Milch abholte.

 

Das Rad hoch oben an der Hauswand ist das Markenzeichen von Heinrich Wohlers Geschäft.

Um halb fünf mußte ein großer Teil davon in der Zentralküche des St.-Jürgen-Krankenhauses in die Obhut eines Milchmädchens (so hieß die Mitarbeiterin wirklich) gegeben werden. Auch beim Verteilen der Milch auf stationsgerechte Portionen ging Heinrich Wohlers dem Milchmädchen auch noch zu Hand. Und es dauerte nicht lange und er hielt um diese Hand an. Die Ehe hat bis heute Bestand. Vieles hat sich seitdem geändert: Es gibt keinen Milchfahrer mehr, der wie damals Heinrich Wohlers nach seiner Tour zum Krankenhaus am frühen Morgen noch die Milchflaschen am Schwarzen Meer vor die Türen stellt.


Das rechte Fenster im Erdgeschoß des Rabba-Firmengebäudes wird durch ein Gitter geschützt: Heinrich Wohlers Gesellenstück.

Ende der 60ger Jahre kehrte Heinrich Wohlers auf das ehemalige Borgward-Gelände zurück: Dort baute Rheinstahl-Hanomag jetzt kleinere Lastwagen. Heinrich Wohlers durfte sich jetzt Zangenschlosser nennen, denn er wartete und reparierte Punktschweißzangen.
Anfang der 70ger Jahre begann für ihn ein unruhiges Leben: Er ging für die Firma Boschen und Meyerdierks auf Montage. Das hieß zum Beispiel: Er stand in Hamburg, Berlin oder Hannover in Kabelschächten und verband Telefonleitungen. Im Sommer konnte es vorkommen, dass die Füße in kaltem Wasser standen, während der Kopf die heiße Sonnenstrahlung aushalten mußte. Wenn 'ein kühler Kopf, die Füße warm' gesund ist, dann war diese Arbeit nicht gesundheitsfördernd.
Deshalb sieht er die Anfänge seines heutigen Leidens auch in jenen sieben Jahren seines Berufslebens. Aber auch sein Drang zur Selbständigkeit hat hier eine seiner Wurzeln.


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