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'Freier Journalist,wa? So siehste auch aus!' |
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HEFT 3:
REPORTAGE: OFFENE DROGEN- SZENE SIELWALL WEITERE THEMEN: REPORTAGE: SOZIALARBEIT IM PARK IN GRÖPELINGEN INTERVIEW: STREETWORK OFFENE SZENE INTERVIEW: KOPS IN GRÖPELINGEN INTERVIEW: TABAKLADEN AN OFFENER SZENE INTERVIEW: KOPS VIERTEL OFFENE SZENE MENU: DIE HEFTE SITEMAP |
Leseprobe aus einer neunseitigen Reportage: Am Donnerstag, den 19.01.2000, von 7:30 bis 19:30, hat sich der Reporter von Klein Mexiko am Sielwall-Eck in Bremen aufgehalten, um sich selbst einen Eindruck von der offenen Drogenszene zu verschaffen:
(...) ca. 7:40 Der Himmel ist noch dunkel. Der große Tabakladen direkt an der Ecke ist schon geöffnet. Der Türke, der den kleinen Tabakladen zum ‘Piano’ hin führt, räumt in seinen Laden herum, fegt den Gehsteig vor der Tür. Vor der Sparkasse hält der Lieferwagen eines Zigaretten-Lieferanten. Ich komme mit dem Fahrer ins Gespräch, während er die kleinen Kisten mit Zigaretten sortiert, die für die nahegelegene Kneipe bestimmt sind. An einem Brett an der Schmalseite des Laderaums hängen große Bunde mit vielen Schlüsseln, offenbar unter anderem für die verschiedenen Kneipen, deren Zigarettenautomaten er bestückt. Als wir uns trennen, sagt er mit leiser Ironie in der Stimme: ‘Nein, ich rauche nicht, aber ich bin der beste Steuereinnehmer des Staates.’ Ich gehe in den kleinen Tabakladen. Der Inhaber klagt, er habe gerade die wertvollen Waren wie Zigaretten hinter den Tresen verbannen müssen, damit sie nicht geklaut werden. ca. 8:00 Ich komme ins Gespräch mit Gabriel, ca. 40 Jahre alt (alle Vornamen sind geändert, die Red.). Er wohnt seit 22 Jahren in einem Haus direkt an der Szene. Er ist Sozialarbeiter im Bereich Drogenberatung gewesen. Gegenwärtig studiert er Psychologie. Sein Sohn war heroinabhängig und hat sich irgendwann eine tödliche Überdosis gesetzt. Gabriel denkt laut über die zerschlagenen Fensterscheiben der Schmuckboutique nach, vor der wir stehen. Er glaubt, das sei das Werk von Schutzgelderpressern, die die Drogenabhängigen für ihre Zwecke einsetzen würden. Vielleicht gebe es im Hintergrund große Boutiquenketten, die den jetzigen Mieter vergraulen wollten. Der Inhaber des großen Tabakladens gesellt sich zu uns. Er wird mir von Gabriel als unerschrockener Kämpfer gegen die hiesigen Missstände vorgestellt. Gabriels Theorien jedoch kommentiert er nur mit einem zweifelnden Murmeln. ca. 8:30 Die ersten Treffpunktbesucher kommen: ein grosser Mann, ca. Mitte dreißig, mit langem, schwarzem Ledermantel, aus dem tätowierte Arme herausschauen. Auch der Hals ist mit blauen Zeichen verziert. Auf dem breiten Gesicht liegt immer ein amüsiert-verächtliches Lächeln auf der Lauer. Der Ledermantel-Mann unterhält sich mit einem etwas jüngeren Kumpel, der, in schwarzem Anorak und schwarzer Hose gekleidet, misstrauisch unter seiner schwarzen Kappe hervorschaut. Der zottelige, grosse 'Hirten'hund, den er an der Leine mit sich führt, bildet einen seltsam friedlichen Kontrapunkt zu dieser vermeintlich finsteren Gesellschaft. Vor den beiden Männern in schwarzer Kluft bewegt sich nervös ein kleinerer Mann mit etwas eingefallenen Wangen in blendend weissem Anorak hin und her. Ich höre wie er sagt: ‘Ich brauchte mal wieder richtiges Gift.’ Da alle drei mein Gespräch mit Gabriel zuletzt mitgehört haben, frage ich sie etwas distanzlos, ob sie hier auch einen Fall von Schutzgelderpressung sähen. Es folgt ein Augenblick fassungslosen Schweigens, dann giftet mich der junge Mann mit dem Hund an: ‘Verpiss dich!’ Der Ledermantel-Mann grinst. Ich gehe ein paar Schritte weiter, drehe mich um und sage: ‘Ich gehe nicht.’ Der Ledermann-Mann knurrt: ‘Du kriegst gleich eine auffe Schnauze!’ Ich antworte: ‘Deswegen habe ich extra meine Ersatzbrille aufgesetzt.’ Mein Gegenüber grinst. Waffenstillstand. Ich nutze den Augenblick der Entspannung, um mich vorzustellen: ‘Ich bin Journalist und möchte mir die Szene hier mit eigenen Augen ansehen.’ Der Ledermantel-Mann mustert mich von oben bis unten: ‘Für wen schreibst du denn?’ - ‘Ich schreibe für meine eigene Zeitung,’ - ‘Freier Jounalist, wa? So siehste auch aus!’ Wo er recht hat, hat er recht. Und schon bin ich uninteressant für ihn. Nur der junge Mann mit dem 'Hirten'hund schaut mich weiter mit zornigen Augen an. (...) Weitere Themen des Heftes: Reportage: Sozialarbeit im Gröpelinger Park Interview: Streetwork in der offenen Szene Interview: Kops Gröpelingen Interview: Tabakhändler an offener Szene Interview: Kops im Viertel (offene Szene) |
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