Das Foto zeigt einen Blick auf Dächer im Bremer 'Viertel'. Sofort erkennbar ist: Das Viertel ist sehr eng bebaut, vor allem wie hier an einer Hauptvekehrsader: Die Dächer schieben sich optisch nur so ineinander, auch etwas verstärkt durch den steilen Blickwinkel. Der Raum wird bis unter das Dach ausgenutzt. Der kleine Erker wie in der Bildmitte und die Dachfenster links unten beweisen es. Dass es sich um eine Hauptverkehrsader handelt, darauf deutet die Oberleitung der Straßenbahn hin, von der links oben ein kleines Stückchen zu sehen ist. Diese Oberletung ist ein Stück eines riesigen Netzes, das sich über einen großen Teil der Stadt erstreckt.
Allgegenwärtiger ist das Netz der Telefon- und Stromleitungen, das aber in der Stadt fast immer unterirdisch verläuft. An diesem Stromnetz hängen auch die Fernsehgeräte, die ihre Daten über Satellitenantennen empfangen, von denen hier fünf im Bild sind. Links oben sieht man noch Fernseh- und Rundfunkantennen einer anderen Technologie.
Ebenfalls am Stromnetz hängt der kleine Scheinwerfer, der links neben der Satellitenantenne am rechten Bildrand zu sehen ist. Er beleuchtet abends eine Geschäftswerbung, die aus diesem Blickwinkel nicht zu erkennen ist.
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In der Mitte der linken Bildhälfte findet man einen alten gemauerten Schornstein mit zwei Revisionsklappen. Er wirkt winzig gegen die zylindrischen, stählernen Abluftrohre, die zu einem Restaurant im Erdgeschoß des Hauses gehören. Diese Röhren und die Satellitenantennen dominieren optisch solche zierlichen Details wie die Verzierungen an den Simsen und über den Fenstern, die aus einer Zeit stammen, als an solche Röhren und Antennen auf solchen Häusern noch nicht zu denken war.
Über den Simsen verlaufen die Dachrinnen, die bei Regen das Wasser von den Dächern auffangen. Diese Rinnen sind über Fallrohre ebenfalls an ein stadtweites Netz, nämlich die unterirdische Kanalisation angeschlossen. So zeigt dieses fast banale Foto dem/ der geduldigen BetrachterIn in welches Netz sein/ ihr individuelles Städterleben eingespannt ist.
Und noch etwas wird deutlich: Das Bild seines/ ihres Kiezes, das ihm/ ihr heute vertaut und heimatlich erscheint, wird sich in hundert Jahren so gewandelt haben, das mancher ästhetische oder unästhetische Reiz, der heute das Bild beherrscht, in fernerer Zukunft von anderen Eindrücken überformt sein wird.
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