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Nr. 14/2013, Bremen, den 12.7.2013, Nr. 380,   11 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Grenzverschiebungen: arm und reich

        
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Manchmal fügen sich in meinem Kopf Fotos, die ich vor längerer Zeit gemacht habe, mit aktuellen Aufnahmen zusammen. Die Gründe, warum ich mich aufgrund neuerer Bilder an alte erinnere, können sehr verschieden sein. In diesem Fall war es so, dass ich mit den zwei aktuellen Fotos die wirkliche oder sinnbildliche Verkörperung von Reichtum und Armut ins Bild gerückt habe. Das unten abgebildete Foto eines armen Menschen erinnerte mich an ein anderes, das ich vor zwölf Jahren am selben Straßenzug in der Östlichen Vorstadt ein paar hundert Meter stadteinwärts gemacht habe.

  Dieser Tage habe ich eine ähnliche Verkörperung der Armut das erste Mal weiter stadtauswärts registrieren können. Freilich kam hier zur Armut offenbar noch Obdachlosigkeit hinzu.
Das zweite Foto dieses Artikels dokumentiert die Zurschaustellung von Reichtum mittels eines Plakats. Ein ähnliches Plakat war mir vor einiger Zeit das erste Mal in einer Bahnunterführung weit draußen am Rande eines Gewerbegebietes aufgefallen. Jetzt sah ich diese Zurschaustellung mitten in der Stadt in Bahnhofsnähe. Das Plakat war auch gleich viel größer, die Präsentation also demonstrativer.


Obdachloser im Eingangsbereich eines leerstehenden Geschäftslokals
Das Foto aus den Juni 2013 zeigt einen Mann, der im Schlafsack im Eingangsbereich eines seit längerem leerstehenden Geschäftslokals an einer belebten Kreuzung in der Östlichen Vorstadt übernachtet. Nach meiner Beobachtung schlief er trotz des Verkehrslärms bis weit in den Vormittag hinein. Ich habe nie gesehen, dass er aufstand oder lief. Manchmal saß er aufrecht in seinem Schlafsack und schaukelte leicht mit dem Oberkörper. Ich habe auch nicht gesehen, dass er jemanden ansprach und sei es wegen Geld. Der Fußgängerverkehr im Kreuzungsbereich ist zu einem großen Teil Durchgangsverkehr, weil im unmittelbaren und weiteren Umfeld mehrere große Geschäftslokale zum Teil schon seit über einem Jahr leerstehen.

  Man trifft sich an der Kreuzung nicht mehr, sondern man geht zur Straßenbahnhaltestelle oder zu den verbliebenen Geschäften. Die Trostlosigkeit leerstehender Geschäfte zieht die Verringerung sozialer Kontakte nach sich. Die entstehenden 'Leerräume' werden Nischen für Obdachlose, die aber in ihrer Nische wie in diesem Fall trotz Publikumsverkehrs mehr aus der Gesellschaft ausgeschlossen als in sie eingeschlossen sind. Mich hat die starke Lethargie des Mannes beunruhigt. Ich habe veranlasst, dass Polizei und Behörden prüfen, ob nicht eine seelische Notlage vorliegt. Ich habe irgendwann noch einmal mit dem Mann selbst gesprochen. Er versicherte mir, dass er o.k. sei. Nach drei Tagen war er verschwunden.
Werbeplakat für Pferdesportveranstantung und Werbeplakat für sozialkritische Oper
Das kleine Plakat des Pferdesportclubs, das ich einige Wochen zuvor in einer Vorstadt gesehen hatte, bewarb ein Eröffnungsturnier. Das hier abgebildete, große Plakat in der City kündigt jetzt ein 'Event der Extraklasse' an, das sich mit dem exklusiven Pferdesport allein nicht mehr begnügt. In den beworbenen Veranstaltungen werden auch noch (sicherlich nicht gerade preiswerte) alte Autos präsentiert. Neu ist auch, dass eine regionale Privatbank ihren Namen an prominenter Stelle mit der Veranstaltung verbindet. Der Zufall wollte es, dass dieses Plakat, mit dem Wohlstand in ungewöhnlicher Weise zur Schau gestellt wurde, mit einem Plakat zusammentraf, das für die Aufführung einer sozialkritischen Oper warb.

  Eine der Kernideen dieser Oper ist es unter anderem ist, die Gründung und Entwicklung einer fiktiven Stadt darzustellen, in der es bei Todesstrafe verboten ist, kein Geld zu haben. Ein weiterer Zufall wollte es, dass mir während der Arbeit an dieser Kolumne das Programmheft zu dem Festival in die Hände fiel, in das die Opernaufführung eingebettet war. Eine junge Frau, deren Blöße nur mit Geldscheinen dürftig bedeckt war, zierte das Titelblatt des Heftes. Der Rückseite war zu entnehmen, dass das Geld, das die Aufführungen des Festivals überhaupt erst ermöglichte, auch von Stiftungen der Metallindustrie zur Verfügung gestellt worden war.

Filmplakat mit gewaltbeogenem Motiv
Dieses Plakat tauchte etwa gleichzeitig mit den beiden oben besprochenen Plakaten in verschiedenen Varianten an diversen Haltestellen auf. Herausgeber ist kein Wirtschaftsunternehm sondern der Bundesverband von gemeinnützige, wohltätigen Organisationen.
  Die Institutionen -so ihre Selbstdarstellung - 'sammeln überschüssige Lebensmittel, die nach den gesetzlichen Bestimmungen noch verwertbar sind, und geben diese an Bedürftige ab.' Die Plakate werben dafür, sich in diesen Institutionen als Helfer zu engagieren. vgl. Begegnungen (6)

Vgl.: Foto-Notizblock: Entgrenzung von Nischen für Bettler

Leerstehende Ladenlokale nahe einer Vorstadtkreuzung

Bitte werfen Sie auch einen Blick auf Charlie Dittmeiers Bericht über alte Menschen auf den Straßen in Phnom Penh. Der Bericht datiert vom 6. Februar 2010. Der Link führt auf die letzte Notiz des Tagebuches. Bitte nach unten scrollen!
 
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