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Folge 47a/2002, Bremen, den 02.08.2002               Immer noch sehenswert: 'Linie 1'
        
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Klein Mexiko hatte in einem ersten Teil die Räume der Bahnhofsmission vorgestellt und die ersten Gäste porträtiert, die am 16.11.2001 diese Einrichtung aufgesucht haben.

 
Im zweiten Teil verfolge ich das Kommen und Gehen der Menschen in der Bahnhofsmission bis zum abendlichen Betriebsschluß.

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Mutter und Kind im Raum der Stille

11:30
Eine Frau mit ihrem Baby kommt herein. Sie wickelt das Kind im Ruheraum. In der Küche wird derweil das Fläschchen gewärmt.


Das Fläschchen wird gewärmt.

Die Frau ist beim nahegelegenen Sozialamt gewesen. Dort hat sie keine Möglichkeit gefunden, das Kind zu wickeln und ihm die Flasche zu geben. Der Wickelraum im WC-Center des Bahnhof, der gleichzeitig auch Behindertentoilette ist, war ihr nicht genehm. So ist sie zögerlich zur Bahnhofsmission gekommen. Von den hiesigen Räumlichkeiten und der Betreuung ist sie angenehm überrascht.

12:00
Statt Brötchen werden jetzt Kuchen ausgegeben. Es sind längst nicht alle Stühle und Tische besetzt.

12:30
Wegen einer kleinen internen Feier sind die Räume der Bahnhofsmission heute ausnahmsweise bis 14:30 Uhr für die Öffentlichkeit geschlossen. Vereinzelt kommen Menschen, bleiben vor der geschlossenen Tür stehen, lesen den Zettel, der die vorübergehende Schließung verkündet, und gehen wieder. Ich treffe den kleinen Mann, der im Viertel für die Damen aus dem Rotlichtbezirk die Einkäufe macht. Wir plaudern ein wenig - Belangloses.

 
13:15
Ein Mann bittet mich in gebrochenem Deutsch um Geld für eine Fahrkarte nach Ulm. Als ich ihm die geforderten ein, zwei Mark verweigere, wird er eindringlich: 'Brauche ich aber, Papa, brauche ich dringend, Papa!' Er geht in die Bahnhofsmission, kommt aber nur bis in den Eingangsbereich. Die MitarbeiterInnen machen ihn darauf aufmerksam, dass die Mission geschlossen ist. Er geht. Drei Jugendliche kommen vorbei. Sie sehen keineswegs abgerissen aus. Einer erklärt den beiden anderen mit der Geste eines Stadtführers: 'Hier kannste Essen kriegen!'

14:10
Mehrere Jugendliche kommen herein. Ein junger Mann und eine junge Frau setzen sich an meinen Tisch. Beide wohnen seit ein paar Wochen in Sebaldsbrück in einer Pension, in der das Sozialamt Obdachlose vorübergehend unterbringt. Der Mann, etwa 25 Jahre alt, hat in einer anderen Stadt längere Zeit in einem kaufmännischen Beruf gearbeitet. Danach hat er Sozialpädagogik studiert und das Studium nach einem Semester abgebrochen. Nach Bremen ist er wegen seiner Freundin gekommen. Jetzt hat er gerade eine Entgiftung wegen Kokainkonsum und Alkoholmißbrauch hinter sich. Die junge Frau, knapp 20 Jahre alt, sagt, dass sie eigentlich eine Kur machen müsse wegen Kokainkonsums und Alkoholmißbrauchs. Sie ist eigentlich Altenpflegerin, hat auch Erfahrung in ihrem Beruf. Sie hat in der Vergangenheit in wechselnden Jobs gearbeitet und ist jetzt arbeitssuchend gemeldet. Ihr Vater ist vor einigen Jahren gestorben, das Verhältnis zur Mutter ist schlecht. Sie war verlobt, aber auch mit der 'Schwiegermutter' hatte sie Probleme.

15:00
Zeitweise ist jetzt wenig Betrieb. Mir fällt auf, dass doch verhältnismäßig viele alte Menschen kommen.
Dann fällt eine Gruppe von zum Teil fast stadtbekannten Alkoholikern ein. Es entwickelt sich eine etwas gespenstische Stimmung: Einer der Alkoholiker redet laut in den Raum hinein. Seine Kumpanen lassen ihn reden, antworten nicht, hören vielleicht gar nicht zu. Das Gespräch kommt auf den Zettel mit der besagten Nachricht. Einer faßt seine Meinung ganz kurz zusammen: 'Die Bahn will das nicht!'

 
 

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