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Folge 62/2002, Bremen, den 06.10.2002      Weiterhin lesenswert: 'Bahnhofsmission'
        
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N.N. arbeitet viel. Seine Haupttätigkeit ist - nach seinem Wunsch jedoch nicht die unmittelbare Geschäftsführung, sondern der Vertrieb. Obwohl er zwischen sich und das unmittelbare Tagesgeschäft von Produktion und Verwaltung seine drei Abteilungsleiter gestellt hat, holt ihn dieses Tagesgeschäft doch gegen seinen Willen oder zu seiner geheimen Freude immer wieder ein. Er telefoniert sehr viel mit Kunden, mit Lieferanten oder kooperierenden Firmen. Er hört dabei meistens ziemlich konzentriert zu, wirkt weder ernst noch heiter, sondern seltsam neutral. Wenn er sich meldet, versucht seinem Namen einen schwungvollen Klang zu geben. Das Ergebnis klingt wie eine Mischung aus Varieteansage und Märchenonkel.



In guten Schuhen: Geschäftsmann...

Man sieht N.N. niemals entspannt lachen. Entweder wohnt seinem Lachen etwas Theatralisches oder Verächtliches inne. Beim theatralischen Lachen bleiben seine Augen ausdruckslos, nur der Mund lacht. Das kontrollierende Beobachten wird nicht unterbrochen. Sein Blick verrät dauerndes Rechnen und Registrieren, wie er seine Mitarbeiter am besten einsetzen könnte. Sein Blick schweift immer über die Köpfe, erfaßt die ganze Situation. Spontaneität und Unmittelbarkeit verschwinden. wirkt immer sehr distanziert, im Doppelsinne: kühl, über der Situation stehend. So geht er durch den Betrieb: Mit einer unnatürlich leblosen Miene, in der immer ein Grinsen oder ein kritischer Blick auf der Lauer liegt.
 
Aber er schauspielert auch, um bei anderen etwas zu erreichen. Hier ist die Miene und die Geste sein Instrument, seine Waffe: Er lächelt auf eine herablassende Weise, wehrt im Weggehen den anderen mit einer abweisenden Handbewegung ab. Sein Blick sagt: 'Du, Instrument Mensch, wirst jetzt nicht benötigt, muß ich dir das jetzt auch noch erklären? Beschäftige dich selbst!' Sein persönlicher Assistent hat es selten erlebt, daß N.N. über etwas anderes ihm sprach als seine eigenen Erfolge, seine Fähigkeiten und seinen Weitblick. Alle anderen Menschen, insbesondere seine drei Abteilungsleiter, kommen in seinen Erzählungen nur als dumme, weisungsbedürftige Schafe vor. Tatsächlich sind alle seine Mitarbeiter ihm an Ausbildung und Erfahrung unterlegen.



und ein Parteifunktionär.

Bei seiner Selbstdarstellung ist er echt in seiner Eitelkeit. Hier erfüllt er sich fast unmittelbar ein Bedürfnis nach Selbstbestätigung: 'Ich sage es ja nicht gern, aber ich habe mal wieder den richtigen Riecher gehabt... ' Ansonsten ist er nur spontan, wenn er wütend oder völlig überrascht ist. Beides kommt selten vor: Eines Tages etwa fand ein Mitarbeiter unter den Belegen eine Bestellung, die scheinbar seine geschiedene Frau abgegeben hatte. Der Mitarbeiter fragte ihn etwas vorwitzig, ob seine Frau Yz. heiße. Da die Frage für ihn völlig unvorbereitet kam, reagierte er spontan: Sein Blick wurde unsicher, er bat den Mitarbeiter, ihm den Beleg zu zeigen.


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Mittwoch, den 09.10.2002


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