Auf einer eingezäunten Brache im Niemandsland zwischen einem Gewerbegebiet und einem bürgerlichen Viertel, sah ich neulich einen Mann auf einer an einem windschiefen Campingtisch sitzen. Durch eine Lücke im Zaun konnte ich zu dem Mann gelangen. Unter einer ziemlich neuen Baseballkappe schauten freundliche Augen hervor. Das Gesicht war zerfurcht und von einem dichten, grauen Bart umrahmt, der notdürftig in Form gebracht worden war. Sein kräftiger Körper steckte in einer wärmenden Zwiebelschalenkleidung, die Füße in wuchtigen Schuhen.
An einigen Fingern seiner geschwollenenen Hände trug er Silberringe. Armbänder zierten ein Handgelenk. Auf dem Tisch lag neben einer angebrochenen Flasche billigen Biers, einem Päckchen Tabak und einer leeren Limonadendose auch eine Zeitung einer Hilfsorganisation für Obdachlose, von der wahrscheinlich noch weitere Exemplare in einer Umhängetasche verstaut waren, die im Verein mit einem Tetrapack Wein auf dem Boden lag.
Ich fragte: 'Haben Sie es sich gemütlich gemacht hier?' Die nachdenkliche Antwort war: ‚Ich würde gerne wissen, wem das hier gehört. Dann könnte man's ja vielleicht besetzen hier. Ich weiß nur, dass die Firma XYZ hier mal einen Supermarkt bauen wollte,. Hat aber nicht geklappt.'
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Nach und nach erfuhr ich mehr über das Leben des Mannes: Er wohnt in einem Haus, das er als Übergangsheim für Seeleute bezeichnet. Seiner Beschreibung nach ist es aber eher eines der allgemeinen Asyle für Obdachlose. Dort fühlt er sich in seinem Vierbettzimmer aber auch nicht wohl. Und so hat er, eingehüllt in einen dicken Mantel, im Winter schon einmal eine Nacht auf diesem Platz verbracht. Sein Hab und Gut ist für ihn unerreichbar irgendwo eingelagert. Am meisten fehlt ihm sein Weltatlas, den er gerne wieder einmal in Händen halten würde. Ein wenig Trost findet er in guten Büchern, die er ab und zu kostenlos ergattern kann, z.B. in einer Bücherspendenecke auf einem Amt, das er gelegentlich aufsuchen muß.
Er klagte darüber, dass die Menschen in der Gesellschaft von einem Termin zum anderen hetzen und nicht mehr wirklich Zeit füreinander haben. Ich erzählte ihm von Tieger aus ‚Pu, der Bär', der rechtzeitig dahin kommen wollte, wo er rechtzeitig hinkommen wollte,und von meiner Frau, die manchmal mit dem Fuß noch in der Tür und mit dem Kopf schon in der Straßenbahn ist. Er lachte. Ich verabschiedete mich von ihm mit Handschlag. Und er sagte: ‚Grüßen Sie Ihre Frau von mir.'
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