Dieses Bild zeigt die Hofzufahrt einer altehrwürdigen Grundschule in einem sehr gutbürgerlichen Stadtteil. Es ist der letzte Schultag vor den Sommerferien und somit auch Zeugnistag. Vor der Einfahrt steht eine Traube von Menschen: Es sind Eltern, die ihre Kinder an diesem besonderen Tag von der Schule abholen. Fast alle Blicke richten sich auf den Schulhof und somit auf das Kind, das abgeholt werden soll. Kaum ein Blick gilt anderen Eltern, die auch auf ihr Kind warten. Auffällig ist die Stellung der Frau mit Kopftuch und Langmantel: Sie steht abseits, hinter der Menschen-Traube.
Nun kenne ich in diesem - wie gesagt - sehr gutbürgerlichen Stadtteil neben ein paar Ärzten, Professoren, kirchlichen Würdentägern und Gymnasiallehrern auch einen Handwerks-Meister im reiferen Alter, der aus einer Handwerkerfamile stammt. Dieser freundliche Herr hatte als Kind auch eine Grundschule in eben diesem - wie gesagt - sehr gutbürgerlichen Stadtteil besucht.
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Als wir einmal auf seine Schulzeit zu sprechen kamen, berichtete er mir, dass die Lehrerin eines Tages aus heiterem Himmel seinen KlassenkameradInnen den Vorschlag gemacht habe, jedes Kind möge doch ein wenig Geld für ihn, das arme Handwerker-Kind, geben. Diese Situation sei für ihn sehr peinlich gewesen, zumal seine Eltern durchaus auskömmlich lebten.
Nun würde ich eine solche mir zugetragene Geschichte nicht der Rede wert finden, wenn ich nicht noch etwas anderes erlebt hätte, das gut zu dieser Geschichte passt: Ich sprach einmal mit einer Frau aus jenem oben skizzierten, sehr gutbürgerlichen Quartier, in dem auch der Handwerksmeister wohnt. Als das Gespräch zufällig auf jenen Handwerksmeister kam, empörte sich diese Frau: ''Der ist doch nur Handwerker und hat so ein großes Haus!''
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