Es ist wieder einmal eine Wahrnehmungspremiere zu beklagen: Vor einigen Tagen ging ich am frühen Abend noch einmal zu einem Lebensmittel-Discounter in meinem Quartier. Mein Kiez zählt nun wirklich nicht mehr zur Innenstadt und nicht einmal zum sogenannten 'Viertel'. Vor der Eingangstür sah ich das erste Mal einen Bettler stehen – bei ziemlicher Kälte. Sein Gesicht war – wie man so sagt – vom Leben gezeichnet. Anders aber als bei manchen anderen ähnlichen Charakterköpfen war aller Humor aus seinem Gesichtausdruck gewichen. Er schaute 'tod'ernst drein. Er trug eine saubere, wetterfeste Jacke, die durchaus nicht ärmlich wirkte. Sie war von besserer Qualität als meine Arme-Künstler-Jacke von der Caritas.
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In der einen (behandschuhten) Hand hielt er einen erloschenen Zigarillo. Die andere Hand umfasste den Bettel-Becher. Das war keiner der Papp- Kaffeebecher, die üblicherweise zu diesem Zweck verwendet werden. Er bestand aus einem neonfarben glänzenden, durchsichtigen Material. Ich sprach den Mann an: ''Sie sind der
erste 'Geldeinsammler', den ich hier sehe. Sonst sehe ich Menschen wie Sie doch eher in der Innenstadt.'' Er seufzte: ''In der Innenstadt ist alles voll!'' und meinte wohl ''voll mit Bettlern''. Ich habe mich getrollt, ohne zu geben. Nicht, weil ich den Mann nicht für bedürftig gehalten hätte. Eher, weil mich leise Bestürzung lähmte.
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