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Nr. 16/2007, Bremen, den 20.9.2007, Nr. 244  10 Jahre Jan Frey, Verlag: Danksagung

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Begegnungen (8)
Encounters (8)  English version 

        
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An einem heißen Augusttag bin ich ganz weit hinausgefahren nach Osten in die Vorstädte. Schließlich bin ich in einer Straße in Hemelingen gelandet, die zum Teil fast unmittelbar an einer Bahnlinie liegt. Ein anderer grenzt an eine weite Wiesenfläche, in deren Mitte ein Autobahnkreuz liegt. Die Straße markiert das äußerste Wohngebiet in diesem Teil Hemelingens.
 
Die Häuser an dieser Straße sind dreigeschossige, ziemlich einförmige Wohnblocks. Die Wohnungen haben zum Teil Balkone. Mir fällt auf, dass zum Beispiel einige Eingangstüren sehr ungepflegt oder sogar teilweise verrottet sind. Manche Gardinen sehen sehr vernachlässigt aus. Dann gibt es wieder Balkone mit Sonnenschirm und hübschen Pflanzen. Vor und hinter den Blocks befinden sich teilweise ziemlich großzügige Grünanlagen.
 
Der erste Bewohner, mit dem ich spreche, ist Detlef (Name geändert), ein etwa fünfzigjähriger Mann. Er hat ein zerfurchtes Gesicht mit 3-Tage-Bart. Seine alte Brille längst aus der Mode. Er trägt ein Polizeihemd, von dem die Abzeichen abgetrennt sind. Seine Finger sind braun vom Nikotin der selbstgedrehten Zigaretten. Ich frage ihn, wie es ihm hier gefällt.
 
Er beginnt zu reden ohne Pause: 'Ich würde ja gerne wegziehen, auf's Land zu meinem Bruder, aber das schaffe ich finanziell nicht. Man hat ja so keine Perspektive. Ich bin Frührentner. Ich habe nur einen kleinen Nebenverdienst. Ich mache hier die Grünflächen sauber und fege hinter den Mülltonnen. Das ist ja eigentlich 'ne schöne Ecke hier, aber die Leute schmeißen ja einfach alles hier hin. Aber wenn man den Leuten mal was sagt, muß man Angst haben, dass man eins auf die Schnauze kriegt. Am schlimmsten sind die Deutschen. Mit den Ausländern komme ich klar hier, aber was ich mir von den Deutschen manchmal so anhören muß. Da hat man wirklich Angst, mit den Leuten in Konflikt zu geraten.
 

 
Detlefs Besen und Schaufel
 
Ich habe früher bei der XYZ-Wohnungsgesellschaft (Name geändert) gewohnt. Da bin ich rausgeflogen, weil ich immer meine Meinung gesagt habe. Ich komme aus einer alten Bremischen Familie. Wenn meine Mutter mir früher etwas gesagt hat, habe ich das auch gemacht. Das ist doch eine Frage der Erziehung. Viele Leute hier kümmern sich gar nicht um ihre Kinder. Die sitzen lieber die ganze Zeit vor dem Computer oder vorm Fernseher. Eine junge Frau, die hier wohnt, hat vier Kinder. Die hat das Jugendamt alle weggenommen. Die Lehrer, die haben doch oft auch keine Ahnung.
 
Was meinen Sie, wie oft hier Kinder kommen und mich fragen: 'Detlef, was ist dies oder das?' Ich weiß 'ne ganze Menge, das können Sie mir glauben. Oder wenn ich meinen Bruder besuche und mit den Neffen spiele, da bin ich die Ruhe und die Geduld selbst. Mit der Polizei komme ich gut klar. Mit denen duze ich mich. Die kennen mich. Die sagen oft: 'Detlef, wie hältst du das aus hier?' Wissen Sie, ich sammle nämlich Polizeisachen. Ich habe 'ne ganze Menge davon.'
 
Bevor Detlef mich einlädt, seine Sammlung zu besichtigen, reiße ich mich fast gewaltsam von ihm los. Ich will mir die Wohnanlage noch etwas genauer ansehen.
 

 
Stichweg in Detlefs Quartier
 
Ich gehe hinter einen Block. In der parkähnlichen Anlage befindet sich ein Spielplatz. Die Spielgeräte wie Rutsche, Turnstangen und Kletternetz sind durch hübsch gemauerte, kleine Türmchen und Pfeiler miteinander verbunden. Aber es ist keine Menschenseele da. Als ich mich umdrehe, sehe ich an der Hauswand ein Schild. Dort steht in Deutsch und Türkisch: Fußballspielen verboten.
 
Ich treffe eine junge Frau. Sie trägt eine Brille und eine Halskette mit einem Ying-Yang-Anhänger. Sie zeigt auf ein Fenster. Sie erzählt mir: 'Ich habe mein Fenster mit Window-colours beklebt. Haustiere habe ich auch, Zwerg-Kaninchen. Meine vier Kinder sind mir vom Jugendamt weggenommen worden, weil ich Probleme in der Beziehung hatte. Die ältesten drei Kinder darf ich besuchen, nur das jüngste Kind nicht. Ich habe guten Kontakt zu den Pflegefamilien. Ich hoffe, dass ich einen 1-Euro-Job im Second-Hand-Laden im Stadtteil bekomme. Im Augenblick lebe ich von Hartz IV.' Wenn ich sie weiter befragen würde, würde sie mir wahrscheinlich noch mehr erzählen. So aber sieht sie mich etwas traurig an und geht bald ins Haus.
 
Ein etwa dreißigjähriger Mann kommt mit einer Gruppe Kinder auf den Spielplatz. Die Kinder setzen sich an einen Tisch in der Nähe des Spielplatzes. Auch der Mann erzählt bereitwillig über sein Leben. Er macht ruhigen, besonnenen Eindruck. Er ist befristet und schlecht bezahlt als Lagerarbeiter tätig. Deswegen ist es für ihn wichtig, dass die Warmmiete hier nur ca. 220 Euro beträgt. Er zeigt auf verschiedene Fenster. 'Dort wohnt ein Russe. Der arbeitet und ist sauber.' Der russische Nachbar steht in der Balkontür und reinigt den Türrahmen mit dem Staubsauger. Dann zeigt er auf vergilbte Gardinen: 'Der Typ läßt seine Wohnung verkommen. Aus manchen Wohnnungen kommt richtig Gestank.' Dann zeigt er auf die ausladenden Äste der Bäume: 'Die Bäume müßten beschnitten werden. Das ist ungesund für die Bäume und dunkel ist es hier deshalb auch. Aber ich wohne gern hier. Es ist ruhig und billig.' Schließlich geht er zu den Kindern zurück.
 
Als ich auf die Straße vor den Blocks zurückkomme, laufe ich Detlef wieder in die Arme. Er redet gerade auf eine junge Frau ein. Als er mich sieht, legt er sofort wieder los: 'Sie glauben nicht, wie das hier aussah, bevor ich angefangen habe. Solche Berge von Müll waren überall. Stimmt doch, oder?' Er wendet sich an die junge Frau, die seine Worte hastig bestätigt.
 
Ich schaue auf die gegenüberliegende Straßenseite. Zwei Frauen mit langem Mantel und Kopftuch entsteigen einem Mercedes. Eine der Frauen hat gefahren. Sie gehen in einen Block, dessen Balkone recht einladend aussehen.

vgl.

Begegnungen 6

Begegnungen 7

Wieder besucht 19

Plätze 10

Plätze 15

Abschied 2

Plätze 20

Bitte lesen Sie Charlie Dittmeiers Tagebucheintrag vom 9. September 2002 über das AIDS-Waisen-Projekt 'Little Folks' in Kambodscha. Der Link führt auf die letzte Notiz des Jahres. Bitte nach unten scrollen!

Bitte beachten Sie auch die Informationen der internationalen Plakatgruppe Loesje, die junge Menschen in Europa und Asien zu Botschaftern der sogenannten UN-Milleniumsziele für Armutsbekämpfung ausbildet.

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Donnerstag, den 4.10.2007.


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