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Nr. 19/2008, Bremen, den 25.9.2008, Nr. 269,  11 Jahre Jan Frey, Verlag: Danksagung

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Abschied (2)
Farewell (2)  English version 

        
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Arbeitsschuhe eines Bauunternehmers
Vor Jahren habe ich diese staubbedeckten Schuhe eines Bauunternehmers fotografiert.

  Ähnliche Schuhe hat Fritz wohl auch getragen, wenn er auf Montage war.

Wenn ich frühmorgens zu meinem Job fahre, komme ich an einem Kiosk vorbei. Dort treffe ich manchmal Fritz (Name geändert), der seine Hungerrente mit auch mit irgendeinem Nachtjob aufbessert. Fritz ist schon über siebzig Jahre alt. Begrüße ich ihn, sehe ich meine Hand in seiner riesigen, runden Faust verschwinden. In diesem Augenblick glaube ich, allein mit dieser muskulösen Pranke könnte er heute noch die mächtigen Schrauben an Eisenbahnschienen lösen. Schaue ich aber in sein unrasiertes Mondgesicht mit den vor Anstrengung flackernden Augen, registriere ich, wie er durch den leicht geöffneten Mund leise keuchend und in schnellem Takt nach Luft ringt.
 
Was Fritz mir über sein Leben erzählt hat, ist ihm meistens mit einem schelmischen Lächeln als kurzer Kommentar zu einem seiner leise vorgetragenen Lebensresumees herausgerutscht. ‚Ich bin dumm!' bekennt er unter einem schwachen Schnaufen und erklärt, er sei nicht lange zur Schule gegangen. Über jene Jugendjahre, in denen er mit einem Moped von Stadt zu Stadt und von Job zu Job gefahren ist, kann ich ihm nichts entlocken.
 
Auch später war er viel unterwegs auf Montage, als Tiefbauunternehmer. In jene Jahre fällt auch wohl die Ehe, deren Ende er damit besiegelte, dass er allen Hausrat und alles Mobiliar, das ihm nach der Trennung noch verblieben war, vor das Haus schleppte und anzündete. ‚Ja so ist das mit der Frau', singt Fritz leise und geht davon, bevor ich ihn noch etwas fragen kann.
 
‚Hast du Kummer mit die Deinen, trink dir einen', reimt er, als ich ihn ein anderes Mal im Kiosk treffe. In der Thermoskanne, deren Inhalt er vor seiner Schicht mit anderen Nachtarbeitern teilt, ist immer nur Kaffee. Im Weggehen wage ich einen verstohlenen Blick von draußen durch die Scheibe. Fritz ist auf seinem Stuhl zusammengesunken. Über sein müdes Haupt hinweg werfen seine beiden Kumpel ihre Witzchen hin- und her.
 
  Nach der Schicht wird er wieder in seine winzige, billige Mietwohnung zurückfahren, ein wenig schlafen, dann ‚mit den Weibern von unten frühstücken' und vom Balkon aus zuschauen, wie sich im Hof die betrunkenen Russen von nebenan prügeln. Später wird er ein wenig aufräumen, aber nicht zuviel, damit ich auch noch etwas wiederfinde.'
 
Wenn er Urlaub hat von seinem Nachtjob, fährt er mit seinem Moped stundenlang hinaus auf's Land. Bald wird er seinen Job kündigen, sagt er. Ich bitte ihn, mir das Lied ‚von der Frau' doch wenigstens einmal bis zum Ende vorzusingen. Er verzieht keine Miene, läuft in die Nacht hinaus und beginnt ‚Ja so ist das mit der Frau, wenn ich sie mal verhau...'
 
Soviel ist sicher, ihr erbarmungslosen Klugscheißer und Lebensberater: Der gute, alte Fritz wird mir ziemlich fehlen, wenn er eines Nachts wegbleibt.
 


vgl.
Begegnungen 8

Heinrich Wohlers

Bitte lesen Sie auch Charlie Dittmeiers Bericht vom 27. April 2008 über einen alten Mann auf den Straßen Phnom Penhs.Der Link führt auf die letzte Notiz des Jahres. Bitte ggf. nach unten scrollen!

Bitte beachten Sie auch die Informationen der internationalen Plakatgruppe Loesje, die junge Menschen in Europa und Asien zu Botschaftern der sogenannten UN-Milleniumsziele für Armutsbekämpfung ausbildet.

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