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Nr. 24/2021, Bremen, den 26.11.2021, Nr. 588, 19 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Umbrüche (23)

        
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Ineinander geschobene Einkaufswagen
Ineinander geschobene Einkaufswagen

Demokratie heißt 'warten können'.
Meine Definition von Volksherrschaft.

Menschen im Zustande der reiferen Jugend neigen dazu, immer öfter zu behaupten, dass früher alles besser war und heute alles schlechter ist. Unter diesem Gesichtspunkt möge man mir die folgenden Ausführungen als altersbedingt nachsehen.

Neulich habe ich etwas gesehen, dass ich in der Form meiner Erinnerung nach noch nie gesehen habe. Die Leserschaft stelle sich drei Menschenschlangen vor, die sich vor drei Supermarktkassen gebildet haben. Plötzlich schert eine junge Dame aus der rechte Schlange aus, indem sie ihren Einkaufswagen nach links lenkt und wortlos den Wagen einer alten Dame in der mittleren Reihe rammt und zur Seite schiebt, um in die linke Schlange zu gelangen, die etwas kürzer ist als die rechte und die mittlere Reihe.

Neulich mussten meine Frau und ich beim Tierarzt warten. Die Praxis hat den Einlass so geregelt, dass man zunächst draußen im Freien warten muss. Wenn sich der vorherige Tierbesiter oder -besitzerin durch ein offenes Fenster angemeldet hat, kann er oder sie in der Warteraum eintreten. Auf Anruf kann dann der/ die Nächste ans Fenster treten und sich anmelden. Vor uns hatte sich gerade eine Frau angemeldet, das einen Hund und ein behindertes Kind mitführte, das in einem großen Wagen saß und nun durch die schmale Tür geschoben werden musste. Wir eilten also der Frau zuhilfe und hielten die Tür auf. Ein Aufruf an uns war auch noch nicht ergangen.
 
Da meldete sich hinter uns ein Mann: 'Wenn Sie jetzt nicht ans Fenster gehen und sich anmelden, melde ich mich als nächster an.' Mit etwas ungehaltenem Unterton mussten wir den Herrn zur Geduld mahnen. Er fügte sich leise murrend.

Auch im Zug kann man einiges über die modernen Weltläufte erfahren. Neulich kam ich auf einer Zugreise mit einem jungen Mann in Luftwaffenuniform ins Gespräch. Er erzählte mir im Smalltalk etwas über seinen Dienstgrad und die Waffengattung, in der er dient. Dann schloß er seinen Bericht mit dem Hinweis, dass ein Gespräch, wie wir es gerade geführt hatten, in Berlin vielleicht gar nicht zustandegekommen wäre, da dort Soldaten in Uniform nicht selten umstandslos angespuckt werden.

Da ich dieses geschrieben habe, versuche ich mir klar zu machen, warum mich diese drei Erlebnisse beunruhigt haben. In allen geschilderten Situationen wird Menschen ein gedachter Schutzraum um ihre Person herum nicht mehr zugestanden, sondern ziemlich unvermittelt verletzt. Die Verletzung dieses Schutzraums hat auch etwas zu tun mit mangelndem Respekt vor dem, was Mitmenschen in dem einen oder anderen Fall doch wohl zusteht wie zum Beispiel im weitesten Sinne körperliche Unversehrheit oder geregelter Zugang zu Waren und Dienstleistungen.

vgl. auch:

Umbrüche (19)

Fotonotizblock: SIE und WIR – Kontraste

Fotonotizblock: ICH und WIR – Kontrast

Aus dem Redaktionsstübchen (8)

Umbrüche (24)

Neues aus dem Viertel (3): Von Armut und Bettelei

 
Nächste Folge 'Alltag in Bremen'
am Freitag, den 10.12.2021

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