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Nr. 5/2014, Bremen, den 7.3.2014, Nr. 397,   12 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Werbeplakate als Orte der Verkindlichung (1)

        
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ALLTAG IN BREMEN
FOLGE 005-14:
WERBE- PLAKATE ALS ORTE DER VERKIND- LICHUNG (1)




ÜBERSICHT:
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'ALLTAG IN BREMEN'


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Das Gegenstück der Depression innerhalb der narzißstischen Störung ist die Grandiosität.
Alice Miller: ‚Depression und Grandiosität als wesensverwandte Formen der narzißstischen Störung' in ‚Das Drama des begabten Kindes'

In dieser Kolumne geht es um vier Werbeplakate, die ich im Laufe der letzten Jahre in Bremen fotografiert habe. Werbeplakate sind Teil unseres Alltagslebens.


  Sie arbeiten oft mit Versprechungen und Schmeicheleien. Sie sollen Menschen dazu bewegen, KundInnen eines Unternehmens zu werden. Man sagt die/ der Kunde/in sei König/in. Weil die/ der Kunde/in vermeintlich oder wirklich große Macht hat, wird sie/ er vermeintlich oder wirklich umschmeichelt. Ich habe versucht zu klären, welches Bild der/ des Kunden/in die Aussagen der Plakate vermitteln.

Ausschnitt aus einem Werbeplakat für Zigaretten
Ausschnitt aus einem Werbeplakat für Zigaretten

Dies Bild zeigt einen Ausschnitt aus einem Plakat, mit dem für eine Zigarette geworben wird. Der zentrale Slogan in diesem Ausschnitt laut übersetzt etwa ‚Deine Welt schmeckt besser mit (Name der Zigarettenmarke).' Da stellt sich sofort die Frage. Wie kann man seine Welt (d.h. nicht die Welt mit allen Aspekten, sondern die persönliche Welt) schmecken? Nun, wenn man den Geschmack von etwas feststellen will, kann man es nur in den Mund nehmen. Wie aber soll man den Geschmack einer Welt ermitteln und sei es auch nur die Welt, wie sie sich durch die persönliche Wahrnehmungsweise darstellt? Etwa dadurch, dass man sie, diese ganze Welt, in den Mund nimmt? Und wie soll es erst vonstatten gehen, wenn man das Versprechen überprüfen will, dass die eigene Welt besser schmecken soll, wenn man die Zigaretten der beworbenen Marke raucht? Vielleicht so: Welt in den Mund stecken, dann Zigarette in den Mund stecken und rauchen und dann wieder die Welt in den Mund stecken, um ihren durch das Rauchen veränderten Geschmack festzustellen? Was ist das überhaupt für eine Welt, deren wesentliche Eigenschaft offensichtlich der Geschmack ist? Eine Antwort könnte sein: Es ist die Welt des Babys, dessen Welt zu einem Großteil über das Saugen an der Mutterbrust bestimmt ist. Was ist das überhaupt für eine Welt, deren Geschmack durch das Rauchen einer Zigarette verbessert werden kann/ muss? Ob das Bild unterhalb des Slogans eine Antwort gibt?

  Es zeigt vier Menschen, die mit mehr oder weniger geschlossenen Augen teilweise aufeinander und teilweise auf einer Unterlage liegen. Sie sind also wenigsten über den Gesichtssinn der Welt kaum zugewandt. Sie lächeln glücklich und scheinen ‚nach innen' zu schauen. Am linken Rand ist ein Stückchen eines Buches in das Bild montiert. Bücher erschließen sich oft auch erst dadurch, dass man ‚nach innen' schaut und zu erkennen versucht, was der Text an ‚inneren Bildern' wachruft. Vielleicht soll ja diese sehr persönliche ‚innere Welt' besser ‚schmecken', wenn man an einer Zigarette dieser Marke zieht. Aber ‚schmecken' kann eigentlich nur die Zigarette, die persönliche innere Welt kann nur gesehen werden und nur diese ‚innere Welt' könnte in einem freundlicheren Licht erscheinen, wenn man an der Zigarette ‚saugt'. Womit die/ der Raucher/in schon nicht mehr weit vom Baby entfernt wäre, dessen innerer Frieden durch das Saugen an der Brust wiederhergestellt wird. Aber dieses Versprechen ist vergiftet, denn ‚Rauchen kann tödlich sein.' Und selbst das Versprechen, das im nicht abgebildeten Teil des Plakates gegeben wird, nämlich, dass die Zigaretten ‚ohne Zusätze' hergestellt sind, vermindert diese Bedrohung nicht wirklich. Direkt unter dem Bild steht in kleiner Schrift: ‚Ohne Zusätze bedeutet nicht, dass es sich um eine risikoärmere Cigarette handelt.'

Werbeplakat für ein Auto
Werbeplakat für ein Auto

Detail aus obigem Plakat: unterer Rand mit Daten zu Verbrauch und CO2-Emission
Detail aus obigem Plakat: unterer Rand mit Daten zu Verbrauch und CO2-Emission

Detail aus obigem Plakat: unterer Rand mit Daten zu CO2-Emission
Detail aus obigem Plakat: unterer Rand mit Daten zu CO2-Emission

Auch auf diesem Plakat wird ein Naturphänomen, das sich dem Einfluß des einzelnen Menschen entzieht, als etwas dargestellt, das von einer Person sogar geschaffen werden kann: ‚Schaffe Dir Deinen Sommer.' Der Mensch ist ja außerstande, auch nur ein einziges Blatt von der Art zu erschaffen, wie es vor dem Plakat hängt. Aber selbst wenn man das Wort ‚Deinen Sommer' durch das Wort ‚Dein Sommererlebnis' ersetzen würde, hinge dem Satz doch ein wenig von Allmachtsphantasien an: Der Mensch ist nie ganz Schöpfer seines Schicksals. Die Aufforderung, sich in übermenschlicher Weise Naturkräften zu bemächtigen, wird verbunden mit der Werbung für den Verkauf eines Kabriolets. Das Kabriolet ist auf einer Promenade platziert worden, auf der ein Leuchtturm steht.

  Hinter der Balustrade erstreckt sich die Weite des Meeres. Vor der Balustrade stehen eine Frau und ein Mann, die wohl als Identifikationsfiguren gedacht sind, denen man ihr persönliches Sommererlebnis mit Kabrio andichten kann. Der Preis für dieses Erlebnis steht fast unleserlich, weil halb abgerissen am unteren Rand des Plakates: Dort sind die Werte für Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission angegeben. Wenn man der Überzeugung ist, dass die CO2-Emissionen, die die Menschen verursachen, die Sommer heißer machen, dann könnte der Slogan ‚Schaffe Dir Deinen Sommer.' tatsächlich einen ganz handfesten Sinn haben.

vgl. Kolumne 'Mehr!! (3)'


Ausschnitt aus einem Werbeplakat für ein Biermischgetränk
Ausschnitt aus einem Werbeplakat für ein Biermischgetränk

Dieses Werbeplakat für ein Biermischgetränk war im Frühjahr/ Frühsommer 2013 an vielen Stellen in der Stadt in verschiedenen Varianten zu sehen. Jenes Frühjahr und jener Frühsommer wollte erst nicht so recht ‚in Fahrt kommen' mit dauerhaften Spitzentemperaturen, die wohl auch die Partylaune und den Umsatz an Durstlöschern jeglicher Art befeuert hätten.

  Da lag es nahe, an den vermeintlichen ‚inneren Kompass' der Menschen zu appellieren, der ihnen schon dazu verhelfen werde, mit übermenschlicher Kraft zu bestimmen, wann Sommer sei. Dieser Appell - wen wundert's - wurde gleich verbunden mit einer Darstellung eines Reiseidylls in Form eines Segelschiff in den Weiten des Meeres, und einer groooßen Flasche Bier(mischgetränk).

Ausschnitt aus einem Werbeplakat für ein akhoholhaltiges Getränk
Ausschnitt aus einem Werbeplakat für ein akhoholhaltiges Getränk

Einen ähnlichen Appell an vermeintliche Allmacht der eigenen Persönlichkeit verbreitet diese Werbung für ein Getränk, das den Alkoholgehalt eines leichten Weines hat: Es suggeriert, der Mensch könne schon kraft seiner bloßen Existenz an einem beliebigen Ort eine Atmosphäre schaffen, wie sie an einem der sprichwörtlichen Traumstrände dieser Erde herrscht, und sei dieser Ort auch nur das Kinder(!)planschbecken auf der (scheinbar ungesicherten) Dachterrasse eines Hochhauses in einer Großstadt. Ganz geheuer scheint dem Hersteller die Aufforderung zu so viel Verkindlichung und Allmachtsphantasien aber doch nicht gewesen zu sein: Am unteren Ende des Plakates findet sich in kleiner Schrift sowohl ein Hinweis ‚bitte verantwortungsbewusst geniessen' als auch ein Verweis auf die Website ‚massvoll-geniessen.de'. (siehe rechte Spalte: Ausschnitte aus dem oben nicht abgebildten unteren Rand des Plakates)

 
Ausschnitt aus dem oben nicht abgebildten unteren Rand des Plakates
Ausschnitt aus dem oben nicht abgebildten unteren Rand des Plakates

Ausschnitt aus dem oben nicht abgebildten unteren Rand des Plakates
Ausschnitt aus dem oben nicht abgebildten unteren Rand des Plakates


Foto-Notizblock: Entgrenzung der Lebensenergie?

Werbeplakate als Orte der Verkindlichung (2)

Werbeplakate als Orte der Verkindlichung? (3)

Bitte werfen Sie auch einen Blick auf Charlie Dittmeiers Bild-Serie über Riesenwerbebanner in Thailand. Bitte nach unten scrollen zu den letzten drei Bildern!
 
Nächste Folge 'Alltag in Bremen'
Freitag, den 21.3.2014

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