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Nr. 17/2019, Bremen, den 30.8.2019, Nr. 531,   17 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Umbrüche (20)

        
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Ich sagte es schon: Das eigentliche Thema dieser Website ist die Erforschung der Beschaffenheit von Wahrnehmung. Es kann in diesem Zusammenhang manchmal hilfreich sein, sich ein Motto zueigen zu machen, das viele Menschen noch aus einer Verfilmung der Spörlschen 'Feuerzangenbowle' kennen.

  Es lautet so ungefähr:'Stelln mer uns mal janz dumm. Wat is 'n Dampfmaschin?' Mit dieser vorgetäuschten Ahnungslosigkeit treten wir jetzt vor ein bis vor kurzem noch sehr, sehr unscheinbares Fleckchen Erde am Bremer Hauptbahnhof.



Der - inzwischen eingezäunte - tote Winkel zwischen Fußgängerbrücke (links), Radweg/Straße (rechts) und Bahnhofsvorplatz (vorne) in Bremen. Links im Hintergrund sieht man die Flanke eines Hotels und den Bahndamm mit Masten.

Am Rande des Bahnhofsvorplatz gibt es einen - inzwischen eingezäunten - Ort, der mit 'toter Winkel' wohl nicht schlecht charakterisiert ist: Es ist ein dreiecksförmiges Stückchen gepflasterten Bodens, das links von einer Fußgängerbrücke, rechts von einem Fahrradweg und einer Straße sowie von vorne vom Bahnhofsplatz begrenzt wird. Nun ist und war die Brücke nie eine echte Begrenzung des gedachten Dreiecks: Wenn man vor der Einzäung die Böschung hinauf unter der Brücke hindurchkletterte, kam man in eine Art Niemandsland, das rechts und nach vorne hin durch den Brückenaufgang, links durch ein Hotel und nach hinten durch den Bahndamm begrenzt wurde. Dieses Niemandsland wurde von einigen Menschen als Raum gesehen, in dem gesellschaftliche Regeln nur begrenzt gelten.

 
Dieser Raum wurde irgendwann für Aktivitäten genutzt, von denen das Müllabladen womöglich noch die harmloseste war. Das rief schließlich die Behörden auf den Plan, Zäune wurde gezogen. Die ganze Geschichte bis zu jenem Zeitpunkt lesen Sie unter den Aufzeichnungen im Fotonotizblock: Zaun am Aufgang einer Fußgängerbrücke. Wenn man das obige Bild nun genauer betrachtet, sieht man, dass der Zaun zur Seite des Bahnhofsplatzes ein Tor hat, dass hinter dem Zaun rechts vom Tor eine mobile Toilette und links vom Tor am Brückenaufgang ein großer schwarzer Mülleimer steht. Tor, Toilette und Mülleimer sind neueren Datums.


Blick auf den 'toten Winkel' aus der entgegengesetzten Richtung, also von der Fußgängerbrücke herab: Links die Straße mit dem Radweg, rechts die Brücke mit dem Hotel im Hintergrund, links im Mittelgrund hinter dem Baum die Frontseite der Umzäunung mit dem Tor und links vom Tor die Toilette. Unter der Brücke befinden sich Bänke.

Schaut man sich das Dreieck aus der entgegensetzten Richtung, also von der Brücke aus an, fallen weitere Veränderungen auf. Die kahle, gepflasterte Böschung unter der Brücke ist mit terrassenförmig angeordneten Sitzbänken versehen worden, die einem großen 'Publikum' Platz bieten würden. Aber das 'Publikum' – woraus auch immer es bestehen mag – schaut nicht auf den Fahrradweg und die Straße sondern auf bunte Sichtblenden.

Da der Zaun samt Sichtblenden nur von Radfahrern und Autos passiert wird, stellen sich verstörende Fragen: Wer soll hier von wessen Anblick geschützt werden? Das 'Publikum' vor dem Anblick der Verkehrsteilnehmer oder die Verkehrsteilnehmer vor dem Anblick des 'Publikum's? Und warum wird die eine Partei überhaupt vor dem Anblick der anderen geschützt? Und warum ist die Seite nicht 'abgeblendet', die zum fußläufigen Verkehr auf dem Bahnhofvorplatz zeigt? Warum ist das 'Publikum' überhaupt durch einen Zaun vom Rest der Welt getrennt?

 
Wer soll hier von wem ferngehalten werden? Was befürchten die Erbauer dieses Arrangements? Etwa, dass das 'Publikum' über die Verkehrsteilnehmer herfällt oder die Verkehrsteilnehmer über das 'Publikum'? Wer hat den Schlüssel zum Tor? Wer kommt rein? Wer muss draußen bleiben? Wohin geht das 'Publikum' nachts? Und wenn das 'Publikum' geht, in welche Gesellschaft geht es dann?

Man kan versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu finden, wenn man sich statt des hehren Begriffs 'Gesellschaft' mit dem Begriff 'unmittelbare Umgebung' zufrieden gibt: Die unmittelbare Umgebung ist der besagte Bahnhofsvorplatz. Teile dieses Bahnhofsvorplatzes hat der Autor dieser Zeilen vor nicht allzu langer Zeit inspiziert und das Ergebnis festgehalten im Fotonotizblock: Arme in Bremer City unsichtbarer (1).

Fortsetzung: Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (1)


Vgl. auch:

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (1)

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (2)

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (3)

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (4)

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (5)

Wieder besucht: Neues aus dem toten Winkel (6)

Foto-Notizblock: Armut in der Bremer City sichtbarer(1)

Foto-Notizblock: Armut in der Bremer City sichtbarer(2)



 
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Freitag, den 13.9.2019


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